Eine Trennung ohne Rosenkrieg und zum Schutz der Kinder wünschen sich alle Eltern. Auch die Politik sieht dieses Thema bei der Trennung mit Kindern: Gemeinsam getrennt erziehen ist der Titel eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundesfamilienministerium vom 10. März 2021, das Ende Oktober 2021 offiziell veröffentlicht wurde. Dieser Titel klingt gut, aber sofort stellen sich Fragen, wie das praktisch umgesetzt werden kann. Denn eine Trennung bedeutet oft viel Schmerz, Streit und Auseinandersetzungen. Gemeinsam getrennt erziehen setzt aber eines voraus: dass getrennte Eltern sich (wieder) zum Wohl ihrer Kinder verständigen können.
Wie kann das gehen? Wie gelingt eine gute Kommunikation der beiden Ex-Partner/in über das Wohl ihrer Kinder? Hier sind 5 Tipps, die jedes Elternteil für sich oder gemeinsam umsetzen kann. Denn es geht erst einmal darum, dass beide Eltern emotional gefestigt sind, um auf einer guten Basis gemeinsam getrennt erziehen zu können.
1. Gefühle bewusst bewältigen
Bei praktisch jeder Trennung kommen viele Gefühle hoch, vor allem viele schlechte wie Wut, Ärger, Traurigkeit, Reue, Wehmut oder innere Leere. Dazu kommen viele Sorgen, wie es alles weitergehen soll. Bei einer Trennung mit Kindern drehen sich viele Gedanken natürlich um das Wohlergehen der gemeinsamen Kinder, aber auch um Hab und Gut, um Unterhalt und Umgang und den gemeinsamen Freundeskreis.
Für eine Trennung ohne Rosenkrieg und hin zu einem neuen, konstruktiven Miteinander geht es darum, dass du alle deine Gefühle, die gerade da sind, bewusst verarbeitest. Mit Groll im Bauch ist es schwierig, den Kindern gute Eltern zu sein und der/dem Ex-Partner/in zumindest neutral zu begegnen. Benenne deine Gefühle konkret für dich. Gefühle benennen heißt mit Gefühlen umgehen lernen. Darüber hinaus gibt es einige Übungen, um gerade schlechte Gefühle gut zu bewältigen.
Wichtig ist dabei: es geht nicht darum, deine schlechten Gefühle „wegzudrücken“. Ganz im Gegenteil: es geht darum, schlechte Gefühle wie Wut zu nutzen und zu verändern in etwas Gutes, das dich, deine Kinder und deine/n Ex-Partner/in nach vorne bringt in eine konstruktive neue Zukunft.
2. Schädliche Verhaltensmuster erkennen und verändern
Um gemeinsam gut erziehen zu können, ist es dann wichtig, selbstschädigende Verhaltensmuster in Partnerschaften zu identifizieren und positiv zu verändern. Das macht den Blick frei für eine neue Sicht der Dinge auf dich und deine/n Ex-Partner/in.
Selbstschädigende Verhaltensmuster haben oft mit der/dem Anderen zu tun. „Ich werde nicht ernst genommen.“ „Sie behandelt mich nicht mit Respekt.“ „Immer macht er, ich dreh durch.“ „Warum sagt sie immer so etwas, das macht mich rasend.“
Hier geht es darum, den eigenen Aspekt herauszufiltern. Denn oft haben diese Verhaltensmuster viel mit dir zu tun und dem, wie du dich selbst siehst, was du von dir hältst. Immer wieder spielt auch ein geringes Selbstwertgefühl eine Rolle: Wenn du dich nicht ernst nimmst, wer soll es denn dann tun? Bleibst du in diesen Verhaltensmustern stecken, ist eine Trennung ohne Rosenkrieg kaum möglich und gemeinsame Erziehung äußerst mühsam.
Versuche selbst herauszufinden, was dich (negativ) prägt und hole dir Hilfe, wenn dir das schwer fällt.
3. Konstruktive Kommunikation
Konstruktive Kommunikation ist das A und O, um gemeinsam getrennt gut zu erziehen. Wenn du deine harten Gefühle verarbeitet hast und dir deine unbewussten Verhaltensmuster klarer geworden bist, ist das der nächste Schritt: eine zugewandte und kooperative Kommunikation mit deiner/deinem Ex zu erlernen und zu etablieren.
Der erste und gleichzeitig schwierigste Tipp: versuche Ich-Botschaften zu senden, statt Vorwürfe zu machen. Statt „Immer machst du…“ oder „Du hast schon wieder…“ oder „Wieso musstest du…“ versuche umzuschalten und zu kommunizieren, wie du dich fühlst und was die Worte oder Handlungen der/des Anderen bei dir auslösen: „Ich habe den Eindruck, dass…“ oder „Ich fühle mich…“ oder „Ich kann damit nicht gut umgehen, wenn…“.
Das ist schwierig, weil du ja das Gefühl hast, die Probleme liegen beim Anderen. Aber versuche einmal die Perspektive zu wechseln zum Wohl der gemeinsamen Erziehung. Du brichst dir meistens keinen Zacken aus der Krone und kannst viel dazu beitragen, dass die Trennung für deine Kinder gut verläuft.
4. Gemeinsam getrennt erziehen – eine gemeinsame Basis schaffen
Wenn ihr so weit seid – Gefühle, Verhaltensmuster und Kommunikation einigermaßen im Griff habt, dann seid ihr schon … ganz weit. Jetzt erst dreht sich alles um die gemeinsame Erziehung: Was sind eure Grundsätze? Was ist euch wichtig, was ist nicht so wichtig? Welche No Go‘s habt ihr, wo seid ihr bereit aufeinander zuzugehen?
Um gemeinsam getrennt zu erziehen, ist es wichtig, sich hierüber auszutauschen. Natürlich macht es jeder von euch dann individuell anders, aber die Basis sollte stimmen. Das hilft euch und euren Kindern, die sich in der Trennung an diesen Grundsätzen orientieren können.
5. Wechselmodell oder Residenzmodell?
Das klassische Umgangsmodell in Deutschland war und ist das Residenzmodell. Dabei hat ein Elternteil den überwiegenden Umgang und die/der Andere hat die Kinder meistens an jedem zweiten Wochenende und oft auch ein oder zwei Tage unter der Woche.
Viele Elternteile wünschen sich aber mehr Teilhabe an der Entwicklung und Erziehung der Kinder. Das Wechselmodell verschafft beiden Elternteilen meistens gleich viel Zeit mit den Kindern, meistens wechselt das im Wochenrhythmus. Aber auch andere Aufteilungen sind denkbar, also 40% zu 60% oder 2/3 zu 1/3. Voraussetzung ist, dass die Eltern miteinander gut kommunizieren können, um gemeinsam erziehen zu können, auch wenn sie getrennt ist.
Neben diesen beiden Modellen gibt es noch das Nestmodell. Dabei bleiben die Kinder immer an einem Wohnsitz, die Eltern haben anderen Wohnsitze und betreuen die Kinder wechselweise an deren Wohnsitz. Im Grunde kann der Umgang auch bei diesem Modell nach Vereinbarung aufgeteilt werden. Es erfordert allerdings meistens drei Wohnsitze, was in der Praxis oft zu kompliziert ist.
6. Coaching für bewusste Trennung als Grundstein
Vieles ist möglich, um bei einer Trennung Kinder gemeinsam getrennt zu erziehen – zu deren Wohl. Dabei ist wesentlich, dass sich beide Elternteile ihren Themen stellen, nämlich ihren Gefühlen und ihren inneren Prägungen und Verhaltensmustern. Dann kann Kommunikation auch bei Ex-Partnern gelingen und eine Trennung ohne Rosenkrieg verlaufen.
Trennungscoaching ist dabei eine gute Methode, sich im Dialog seiner Themen überhaupt bewusst zu werden und diese aktiv anzugehen. Zum Wohle aller, die von der Trennung betroffen sind.
Weitere Informationen zur Broschüre „Gemeinsam getrennt erziehen“ (Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) finden Sie unter: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/gemeinsam-getrennt-erziehen-186696
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